Herr Teherani, Sie waren zunächst als Architekt tätig, dann kamen das Interior Design und Produktdesign hinzu. Ihr Gestaltungsansatz ist ganzheitlich: Eine Komposition ist erst vollkommen, wenn alle drei Disziplinen berücksichtigt werden. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Hadi Teherani: Ich höre nicht auf zu denken, wenn die Architektur steht. Das Denken geht weiter. Wenn ich einen Grundriss zeichne, entscheide ich parallel, wie die Decke, die Wände und der Boden aussehen und wie die Räume möbliert werden können, zum Beispiel mit welchen Produkten. Das lässt sich nicht trennen. Ich kann nicht ausblenden, was danach kommt.

Sie sind Jurymitglied der Carpet Design Awards 2017 und küren die schönsten Designer-Teppiche. Machen wir eine kurze Reise in die Vergangenheit: Erinnern Sie sich noch an den Teppich, der bei Ihren Eltern zuhause lag?

Ja, der ist mir stark im Gedächtnis geblieben. Ein Kerman Lava, ein Teppich mit Jagdmotiven, also mit Reitern und Jägern, Leoparden und Wäldern. Das hat mich als Kind schon inspiriert. Mein Vater handelte mit Teppichen. Später habe ich im Teppichlager im Hamburger Freihafen mitgeholfen. Damals habe ich mitbekommen, wie sich Teppiche anfühlen, wie sie riechen, wie man sie zusammenfaltet, wie man sie verzollt.

Wenn Sie ein Haus entwerfen: Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, welcher Boden für welchen Raum der richtige ist?

Ein Philosoph legt großen Wert auf seine Worte und Formulierungen. Wir als Architekten und Designer drücken uns in Materialien, Details, Formen und Farben aus. Dabei darf ich nicht nur das realisieren, was mir persönlich gefällt, sondern muss auch die Anforderungen meiner Auftraggeber beachten. Wenn der Raum einen festen Boden braucht, arbeite ich mit Stein. Leichtere Varianten sind Parkett und Teppich. Manchmal ist schon aus akustischen Gründen ein Teppich sinnvoll.

Inwiefern bestimmt der Boden die Atmosphäre eines Raumes?

Mit dem Boden definiert man den Ort und bestimmt zu großen Teilen seine Atmosphäre. Wenn die frühen Nomaden in der Wüste campieren wollten, haben sie als erstes einen Teppich ausgelegt. Das ist die archaische Grundform, um ein Zuhause zu begründen. Bei einem Picknick breitet man noch heute eine Decke aus und schafft sich damit die eigene Insel im Grünen.

Sie sind in Teheran, Iran, geboren, also dort, wo der Perserteppich seinen Ursprung hat. Als Sechsjähriger sind Sie mit Ihrer Familie nach Hamburg gekommen. Inspiriert Sie Ihre orientalische Herkunft?

In den ersten Jahren meines Studiums habe ich mich von der Kultur meines Heimatlandes etwas entfernt. Mittlerweile entdecke ich die Liebe zu meinem Land wieder und beschäftige mich auch mehr mit seinen Teppichen. Ich lerne mehr über die Sprache und die Kultur und bin oft dort, denn ich habe auch in Teheran ein Büro. Teppichknüpfen ist dort eine großartige Handwerkskunst. Einige Traditionsbetriebe knüpfen seit Jahrhunderten den gleichen Teppich mit dem gleichen Muster. Aber es gibt jetzt auch Designer wie zum Beispiel meinen Freund Hossein Rezvani , der Perserteppiche in die Moderne übersetzt. Er lässt seine Entwürfe auch tatsächlich im Iran knüpfen. Dabei entstehen wundervolle Arbeiten. Der Designer Jan Kath hat auch schon ähnlich gearbeitet.

Sie haben viele bekannte Bauwerke entworfen: die Tanzenden Türme an der Reeperbahn in Hamburg, die Kranhäuser am Kölner Rheinufer und den Fernbahnhof am Frankfurter Flughafen. Was ist perfektes Design?

Bei Gebäuden geht es mir so: Wenn ich ein Grundstück sehe, liegt mein Entwurf meistens schon darin verborgen, ich muss ihn nur noch aufspüren. Ich versuche, die Energie von diesem Ort aufzunehmen, stelle fest, ob an der Stelle vorher etwas Historisches gestanden hat oder ob das Grundstück spezifische Rahmenbedingungen aufweist. Das versuche ich aufzufangen und zu übersetzen. Wenn man dem Grundstück nachspürt und hinter dem Entwurf schließlich eine Story steckt, dann entsteht ein neues Wahrzeichen. Oder eine Marke. Bei den Tanzenden Türmen war es der Geist von St. Pauli, einem der größten Vergnügungsviertel der Welt. Die Kranhäuser in Köln erinnern daran, dass es ein ehemaliges Hafengebiet ist.

Daneben haben Sie auch Parkettböden mit Fischgrätmuster, Leuchten, eine Küche und Ledersitzmöbel designt.

Als Architekt habe ich die Kernkompetenz Häuser zu bauen. Also fragte ich mich als Designer: Was hat denn atmosphärisch und emotional noch mit meinem Gebäude zu tun? Ich möchte meine Häuser gestalterisch weiterdenken, zum Beispiel mit Bodenbelägen, Teppichen, Türgriffen und abgehängten Decken.

Kommt es vor, dass Sie Ideen für die Inneneinrichtung und Details von Gebäuden haben, bevor die Architektur festgezurrt ist?

Nein, das kommt nicht vor. Meine Methodik lautet immer, für den Ort und das konkrete Gebäude zu arbeiten. Nur der konkrete Raum lässt sich im Detail ausgestalten und atmosphärisch auf den Punkt bringen. So wie man Architektur nur für einen spezifischen Ort schaffen kann.

Sie haben einmal gesagt, man soll nicht auf Nummer sichergehen, wenn man an die Spitze will. Was bedeutet das, wenn Sie auf Ihren bisherigen Lebensweg schauen?

Ich hatte immer schon ein gutes Gefühl bei meiner Arbeit als Grenzen überschreitender Gestalter. Aber dass ich so eine Karriere mache, war nicht vorhersehbar. Wenn man anfängt, an etwas glaubt und dranbleibt, kann man tatsächlich sehr viel erreichen. Ich glaube, alles ist von der eigenen Leistung abhängig. Ich muss jedes Mal wie am ersten Tag an die Aufgabe gehen. Und ruhe mich nicht darauf aus, was ich schon erreicht habe.

Wenn Sie völlige Freiheit hätten: Welches Objekt würden Sie gerne noch entwerfen?

Architekten haben ja niemals die völlige Freiheit. Deshalb sind wir auch keine Künstler, wir müssen immer bestimmte Vorgaben einbeziehen. Ich habe aber immer wieder Ideen, von denen ich denke, dass man damit einen Ort in die Zukunft führen kann. Denn mir liegt viel daran, die Menschen zu begeistern. Darum habe ich auch schon daran gedacht, Häuser für die Kultur zu bauen, zum Beispiel ein Museum. Außerdem habe ich schon drei oder vier überbaute, als kleines Stadtviertel konzipierte Brücken entworfen. Aber bisher wurde leider keine realisiert. Ich kann vorerst nur davon träumen. Denn wenn ich davon träume und weit in die Zukunft denke, passiert es irgendwann. Alles, was ich mir als Realität vorstellen kann, kommt. Früher wollte ich zum Beispiel unbedingt einen Bahnhof bauen. Ich habe ununterbrochen daran gedacht. Schließlich habe ich gleich zwei Aufträge für Bahnhöfe bekommen.