Hannover. Die neue Initiative der DOMOTEX' bei der sich fünf junge Designstudios mit der Zukunft der Bodengestaltung beschäftigen' nimmt Formen an. Hanne Willmann aus Deutschland' Bilge Nur Saltik aus der Türkei/England' Klaas Kuiken aus den Niederlanden' Victoria Wilmotte aus Frankreich sowie Jane Briggs und Christy Cole aus Schottland geben Einblick in ihre Arbeitsprozesse und erklären' worum es ihnen geht.

Im Juli fand das Kickoff-Treffen des "Young Designer Trendtable" im Atelier von Mentor und Designer Stefan Diez in München statt. Seitdem wird geforscht' experimentiert' gearbeitet' um aktuelle Trends für die Bodenbranche aufzuspüren und dieser neue Impulse zu geben. Im Januar 2017 können sich die DOMOTEX-Besucher von den Ergebnissen inspirieren lassen sowie in einer Panel-Diskussion mit den Designern austauschen.

Das neue Konzept "Young Designer Trendtable" ist Teil der Innovations@DOMOTEX. Das erfolgreiche Format wird 2017 zum vierten Mal ausgerichtet. Aussteller können zuvor ihre Produktneuheiten einreichen – die von einer Jury ausgewählten Produkte werden auf der DOMOTEX 2017 auf Sonderflächen in Szene gesetzt. Der Trendtable erweitert das Format um ein zukunftsweisendes Element.

Innovative Materialien' überraschende Techniken – die Ansätze der fünf Designer in ihren eigenen Worten

Hanne Willmann' Deutschland:
Das Erbe des Handwerks feiern' neue Authentizität schaffen

"Bei der Gestaltung von Böden geht es aktuell viel um Imitation. Warum nicht wieder authentisch sein und sich daran erfreuen' was bereits geschaffen wurde? Mein Großvater ist 1953 nach Deutschland gekommen und hat ein Teppich- und Parkettbodenunternehmen gegründet' das er an seine Söhne weitergegeben hat. Diese persönliche' familiäre und traditionsreiche Verbindung hat mir einen Einblick in den gesamten Prozess der Herstellung vermittelt: das Abrollen von Linoleum' das Zusammensetzen von Parkett und die vielen Stunden des Sandstrahlens und Polierens. Ich möchte die Wertschätzung für dieses Handwerk wieder stärken' indem ich die vorhandenen Techniken besonders herausstelle. Ich möchte experimentieren: mit Farben' Techniken der Interaktion' Design' Materialien' Werkzeugen und Prozessen – ohne dabei das Wesen und die Schönheit des Handwerks zu verlieren. Inspiriert von dem' wie etwas gemacht wird' werde ich neue Authentizität entwickeln' das Thema Bodengestaltung feiern."

Bilge Nur Saltik' Türkei und England:
Hart und weich' industriell und handwerklich – Spiel mit Kontrasten

Die Bodenbelagsindustrie bietet eine Vielzahl an Materialien' aber keines der Unternehmen ermöglicht Material-Kombinationen. Außerdem sind fast alle der Bodenlösungen permanent und bieten Verbindungsmöglichkeiten mit verschiedenen Arten von Klebstoffen. Ich habe das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und Techniken aus unterschiedlichsten Bereichen kombiniert' um flexible und haptisch erlebbare Lösungen für den Boden zu kreieren. Besonders interessant finde ich es' harte und weiche Materialien zu kombinieren und Oberflächen zu schaffen' die fühlbar variieren. Ich arbeite an der Idee des Unerwarteten' denke außerhalb des Rahmens und fokussiere mich auf die Verbindungen verschiedenster Materialien. Mein Ziel ist es' industrielle und handwerkliche Verbindungstechniken zusammenzubringen' so dass eine einzigartige Haptik und ungewöhnliche Kombinationen entstehen' die gänzlich ohne Permanentkleber auskommen. Dieses Konzept könnte eine Lösung für temporär genutzte Räume darstellen' da meine Entwürfe leicht zu installieren sein sollen – sowohl im Innen- als auch im Außenbereich."

Klaas Kuiken' Niederlande: Der Nutzer macht den Boden

"Wir möchten aufspüren und nachverfolgen: Es geht darum' zu zeigen' dass sich ein Boden im Wesentlichen aus Raum und Interaktion heraus definiert. Die meiste Zeit merken wir gar nicht' dass unsere Lebensräume großartige Geschichten in sich bergen und dass sie stille Beobachter unseres täglichen Tuns sind – diese Stories möchten wir aufdecken. Außerdem möchten wir die Sicht auf einen Raum verändern: Öffentliche Bereiche sind oft mit zahlreichen Hinweisen gekennzeichnet' wir aber glauben daran' dass nicht die Symbole' sondern die Besucher den Raum definieren.

Durch das Aufspüren von Nutzungsmerkmalen werden diese Hinweise auf organische Weise geschaffen. Somit wächst das Bedeutungsspektrum eines Raumes und er erzählt eine Geschichte – nicht anhand von Zeichen' sondern durch seine Nutzung. Das kann man nur bis zu einem gewissen Grad beeinflussen' der Rest obliegt dem Mitwirkenden. Wir glauben an einzigartige Strukturen' die einen Raum und seinen Bewohner auszeichnen."

Victoria Wilmotte aus Frankreich: "Mineralartificial Walking"

"Die Hauptbotschaft meines Projektes wird es sein' ein natürliches Material so zu präsentieren' wie es nie zuvor gezeigt wurde. Ich habe dieses Thema gewählt' da ich mich von Stein und Marmor sehr angezogen fühle. Es ist ein häufig genutztes Material' das auch ich in meiner Arbeit als Designer verwende. Ich habe es jedoch niemals auf den 'Boden' übertragen und finde es sehr interessant' die üblichen Anwendungsbereiche des Materials in den Hintergrund zu stellen. Normalerweise sind diese sehr klassisch. Ich werde versuchen' Stein und Marmor anders darzustellen – ich möchte die Linie und den üblichen Gebrauch verändern."

Jane Briggs und Christy Cole (Briggs & Cole)' Schottland:
"Merzing" – zeitgenössische und ortsspezifische Räume neu formulieren

"Impulsgeber unserer Arbeit ist die kontinuierliche Neuformulierung von Ideen in Bezug auf zeitgenössische ortsspezifische Räume. Als Inspiration diente uns hier Kurt Schwitters1) 'Merzbau' (1927-37)' den er in seinem Atelier im Haus seiner Familie in Hannover geschaffen hatte. Als Designer' die mit dem Mittel der Collage arbeiten' greifen wir die von Schwitters erfundene Wortschöpfung 'Merz' auf und übertragen die Verortung sowie die dem Konzept innewohnende Betrachtungsweise auf den orts-spezifischen Grundriss der DOMOTEX in Hannover.

Die räumliche Dimension unserer Installation wird nicht durch Wände formuliert' vielmehr stellen wir den Besucher in einen Kontext individueller räumlicher Koordinaten' die von einem imaginären Zentrum ausgehen. Die bildhafte Collage und die diagonale Bewegung auf dem Boden basieren auf Beschreibungen der Objekte' die die unsichtbaren Böden und Oberflächen von Schwitters Merzbau bedeckten.

Uns interessiert' wie Material definiert wird und wie diesem im Laufe der Zeit neue Werte zugeschrieben werden. Unser Hauptinteresse liegt darin' die Entwicklung des Merzbaus als allmähliche Öffnung eines Raums nachzuvollziehen' von dem aus sich innerhalb eines Familienwohnhauses Bereiche des 'Wohnens' und Bereiche der 'Kunst' entfalten."

1) "Kurt Schwitters gehört zu den herausragenden Persönlichkeiten innerhalb des Dada. Obwohl er Zeit seines Lebens in künstlerischer Hinsicht Einzelgänger ist und von vielen seiner Künstlerkollegen nicht uneingeschränkt anerkannt wird. Schwitters ist an der Gründung einiger kleiner Dadazirkel maßgeblich beteiligt. Dennoch wird er nicht vom Hannoveraner Dada-Club aufgenommen' um den er sich als Künstler sehr bemühte. Schwitters Leidenschaft ist das "Merzen" und das macht ihn als Künstler einzigartig. 'Merz' - ist für Schwitters nicht alleinig Name oder Kategorie' die dazu dient seine Werke einzuordnen. Merz ist für Schwitters vielmehr der Ausdruck seines Lebens. Schwitters betrachtet sein Leben als ein Gesamtkunstwerk – Leben und Kunst miteinander vereint' den gesamten Inhalt seines Lebens stellt er unter sein Motto 'Merz'. (Quelle: http://www.kunst-zeiten.de/Kurt_Schwitters-Werk )