Hannover. Zu Recht erhielt Simone Post bei der diesjährigen DOMOTEX in Hannover im Rahmen der Carpet Design Awards (CDA) für ihren Vlisco Rug die Auszeichnung "Bestes Design Studiokünstlerteppiche". Den Teppich zeichnet besondere Originalität aus: Abfallmaterialien aus der Produktion des Batikgewebes der niederländischen Marke Vlisco wurden mithilfe spezieller Falt- und Schneidtechniken zu einem Rundteppich in moderner Optik verarbeitet. Damit akzentuiert die junge niederländische Designerin nicht nur die vielfältigen Möglichkeiten für das Upcycling ausgemusterter Materialien, sondern vermittelt auch eine ganz neue Ästhetik für Bodenbeläge.

Innovative Materialien sind die Basis für den Erfolg von Unternehmen wie der belgischen Marke Papilio. Papilios Teppich Canvas, der mit einer Kreuznahttechnik in Leder aus recycelten Armee-Zelten gefertigt ist, war bereits 2016 einer der Finalisten für die Carpet Design Awards, Kategorie "Beste Innovation". Papilios Kollektionen zeichnet vor allem der Einsatz recycelter Materialien aus, wie Fahrradschläuche, Keilriemen, Pappe, Leder und Decken. Durch unterschiedliche Webtechniken werden so interessante Strukturen und Texturen geschaffen. Dieses Jahr stellte Papilio den trendigen Rope Hope Teppich vor, der nach einem Design von Sep Verboom im Rahmen des LIVABLE-Projekts aus recycelten Fischertauen von den Philippinen gefertigt ist.

Der bekannte italienische Teppichhersteller Nodus stellt jedes Jahr im April auf der Mailänder Design-Woche eine neue visuell markante Kollektion handgewebter beziehungsweise handgetufteter Teppiche vor. Estudio Campanas origineller Circus Teppich für Nodus aus Hanf und Stoffpuppen überzeugte die Juroren bereits bei der DOMOTEX 2011 in Hannover: Das Design brachte dem Haus den CDA in der Kategorie "Beste Innovation" ein. Die diesjährige Design-Woche präsentierte die Teppiche Bala Perdida und Veneza Carioca von David Elia, wobei der erste Gewehrkugeln und Einschusslöcher und der zweite Flip-Flops als Design-Elemente integrierte.

Ebenfalls in diesem Jahr stellte die britische Designerin Faye Toogood ihre Kollektion unter dem Namen "Inventory" vor. Toogood entwarf diese Kollektion für den italienischen Teppichhersteller cc-tapis. Für Toogood stehen Material, handwerkliches Können und die Freude am Experimentieren im Vordergrund. Im Ergebnis bringt sie dadurch ganz neue gestalterische Elemente in die Oberflächentextur ihrer Teppich-Designs – wie Quilt und Rope – ein.

Es ist die Kombination aus traditioneller Webkunst und wegweisendem Design, die zeitgenössische Teppiche zu einem faszinierenden Medium macht. Bei der DOMOTEX in Hannover im Januar 2017 stellte die türkische Firma Kirkit eine Serie flachgewebter Teppiche aus recyceltem Hanf vor, die durch ausdrucksstarke grafische Muster bestechen. Dadurch gelang eine einmalige Verschmelzung traditioneller und zeitgenössischer Elemente – eine Optik, die am modernen Interior-Design-Markt besonders gut ankommt.

Das gilt auch für Zollanvaris Trompe L’Oeil Roman Empire Kollektion. Das Design des italienischen Labels SoFar SoNear wurde für die gelungene Fusion aus östlichen und westlichen Gestaltungselementen 2013 mit dem CDA "Beste Innovation" ausgezeichnet. Dabei zeigten sich die Juroren insbesondere auch vom speziellen UV-Druck angetan, um fotografische Abbildungen auf die Kelims zu übertragen.

Doch beschränkt sich Innovation nicht nur auf Teppiche mit zeitgenössischer Ästhetik. Die 17th Century Modern-Kollektion des Londoner Labels Knot Rugs bedient sich der schönsten jahrhundertealten Teppich-Designs und verknüpft sie mit modernen Elementen, wie beispielsweise totenkopfähnlichen Formen. Durch Verfahren wie die Oxidation werden die Oberflächen künstlich gealtert, ohne jedoch die Intensität der Farben oder die Schärfe der Linienführung zu beeinträchtigen.

Die neue bei der DOMOTEX 2017 in Hannover vorgestellte Rug Star Tuft-Kollektion des Berliner Teppichlabels Rug Star führt das Tufting in eine ganz neue Dimension. Die diffizil von Hand geknüpften und vom alten Persien inspirierten Designs erfahren neue Deutung als kräftig getuftete Landschaften. Dabei geht nichts an Detail verloren, während die Oberflächenstruktur gleichzeitig eine neue faszinierende Dimension annimmt.

Häufig lässt schon die Textur eines Teppichs durch die unmittelbare visuelle oder haptische Erfahrung ahnen, woraus sein Innenleben besteht. Kentencis neueste Kollektion, die bei der DOMOTEX in Hannover im Januar zahlreiche Besucher in ihren Bann schlug, überzeugt durch eine einzigartige ganzheitliche Ästhetik mit hellen, luftigen Farben und elegant-schimmernden Oberflächen. Um diese einmalige seidige Patina zu erzielen, wurden die Teppiche in Nepal gewebt und in der Türkei veredelt.

Auch das Londoner Label Ayka Design, dessen Teppiche, wie etwa Vase und Beauty, einen unverwechselbar individuellen Look aufweisen, stattet seine Designs mit unvergleichlichen Textureigenschaften aus. Inhaberin und Designerin Karen Michelle Evans hat eine Technik entwickelt, mit der sie einerseits längere Florhöhen erzielt, andererseits aber immer noch ein klares Muster oder Bild gestalten kann. Bereits geringfügige Anpassungen bei der Oberflächenstruktur können einen dramatischen Effekt auf das gesamte Design haben.

Die Oberfläche eines Teppichs verrät dem Betrachter die Entstehungsgeschichte. Diese zehn Teppiche verkörpern nicht nur die innovativen Prozesse, denen sie ihre Entstehung verdanken, sondern veranschaulichen zugleich die Vielfalt zeitgenössischer Teppichkunst. Designer berücksichtigen nicht nur den künstlerischen Wert neuer Materialien und Techniken, sondern denken weiter: Upcycling und umweltschonende Fertigung im Sinne ökologischer Verantwortung.