Auch wenn Jute die zweithäufigste Textilfaser der Welt ist, so schöpfen wir noch lange nicht das volle Potenzial dieses Materials aus – schlimmer noch: Durch die industrielle Verarbeitung und chemische Behandlung zerstören wir die positiven natürlichen Eigenschaften dieses ökologischen Materials, um es in profanen Gebrauchsgütern wie Kartoffelsäcken unter Wert zu verschwenden.

Viele Jute Ideen

Mit seinem Projekt "Hey Jute" zeigt Marinus die Vorteile der Rohfaser, die in Strähnen von zwei bis fünf Metern Länge wächst und ausgesprochen belastbar ist. Ziel des Designers aus Belgien ist es, mit einer alternativen Behandlung der Rohfaser deren Festigkeit und Länge beizubehalten. Dafür kommen Werkzeuge und Arbeitsprozesse zum Einsatz, die in Zusammenarbeit mit Künstlern und Handwerkern entwickelt wurden. Auf der DOMOTEX 2020 setzt sich Marinus dafür ein, die Wahrnehmung und damit die Wertschätzung der Naturfaser Jute radikal zu verändern. "Es ist im Grunde ganz einfach", sagt er, "wenn wir die ursprünglichen Eigenschaften der Jutefasern in ihrem reinsten Zustand nutzen!" Denn Marinus hat beispielsweise entdeckt, dass sich das Material aufgrund seiner langen Fasern perfekt zum Nadelfilzen eignet. Je mehr er es mit seinem selbst entwickelten Werkzeug bearbeitete, umso attraktiver wurde der Filz. Am Ende des Prozesses entstand eine bemerkenswerte Fellstruktur.

Nachhaltig auf mehreren Ebenen

Jute spielt im Kontext des Leitthemas ATMYSHPERE und dem damit verbundenen Nachhaltigkeitsgedanken eine ganz besondere Rolle. Das Material ist eine kluge Antwort auf den immer dringender werdenden Bedarf an nachwachsenden, wiederverwendbaren Rohstoffen, die weder chemisch behandelt noch bei ihrem Anbau intensiv bewässert, gedüngt und mit Insektiziden belastet werden müssen. Zudem kann sich eine qualitativ hochwertige Jute-Produktion für die zumeist wirtschaftlich schwachen Anbau-Regionen auszahlen und so dazu beitragen, Abhängigkeiten zu verringern oder gar zu beenden. Von den ersten Schritten in Richtung eines fairen industriellen Produktionsprozesses wird "Hey Jute" auf der DOMOTEX 2020 ebenso erzählen, wie von der Suche nach dem "perfekten Rezept", auf der Marinus beispielsweise von dem Künstler und Filzspezialisten Marian Verdonk aus Breda und dem Polsteratelier Unica Brüssel begleitet wird. Es gilt, viele Fragen zu beantworten: Wer liefert den Rohstoff? Wo wird der Filz bearbeitet? Und welche Kriterien müssen der Herstellungsprozess und das Endergebnis erfüllen? Fragen, auf die Marinus vielleicht während der DOMOTEX 2020 im Zusammenspiel mit der dort versammelten internationalen Community wertvolle Antworten findet. Denn es ist Zeit für ein ökologisches und faires Textil, das als Polsterung, Wandverkleidung oder Bodenbelag zu einem starken Akteur in der Welt der Innentextilien wird. Marinus ist aktuell dabei, die Regierung von Bangladesch mit ins Boot zu holen. Und auch die alteingesessene Juteindustrie zeigt an seinem Projekt "Hey Jute" zunehmend Interesse. "Nennt mich verrückt", scherzt Marinus, "aber Jute ist die Zukunft!"