Außen hui – innen vernünftig
Das Image von Furnier hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Galt es früher gegenüber Massivholz als eher minderwertig, erkennt man heute angesichts von Ressourcenknappheit und allgegenwärtigen Folierungen aus Kunststoff zunehmend auch in der Bodenbelagsbranche den wahren Wert einer natürlichen, edlen und belastbaren, dabei aber immer noch bezahlbaren Oberfläche aus echtem Holz.
19. Sept. 2022Teilen
Natürlich weiß jeder, was ein Furnier ist. Trotzdem kann ein kurzer Blick in die Wikipedia nicht schaden – und da findet sich sinngemäß Folgendes: Als Furnier bezeichnet man im Allgemeinen 0,5 bis 8 Millimeter dicke Blätter aus Holz, die durch verschiedene Säge- und Schneideverfahren vom Stamm abgetrennt werden. Das Wort Furnier wurde im 16. Jahrhundert dem französischen "fournir" entlehnt, was so viel heißt wie "bestücken" oder auch "beliefern"". Es bezeichnete den Vorgang, weniger wertvolles Holz mit edleren dünnen Holzblättern zu belegen.
Wer hat´s erfunden? Die Ägypter!
Gräbt man etwas tiefer, erfährt man, dass sich bereits die alten Ägypter die Schönheit natürlicher Holzoberflächen zu eigen machen wollten. Da aber auch damals schon attraktive Hölzer Mangelware waren, haben sie kurzerhand das Furnieren erfunden. Entsprechende Funde belegen, dass man schon vor rund fünf Jahrtausenden damit begonnen hat, wertige und schöne Holzstämme in dünne Scheiben zu schneiden, um den Rohstoff sparsam zu nutzen. Und so macht man es mehr oder weniger bis heute.
Baum ist nicht gleich Baum
Aus einem geeigneten Baum lassen sich heute durchschnittlich 2.000 Quadratmeter Furnier für Möbel, Fußböden, Accessoires und diverse weitere Anwendungen gewinnen. Geeignet heißt in diesem Fall, dass eher langsam wachsende, edle Hölzer zur Anwendung kommen, die vor allem eine schöne oder interessante Maserung aufweisen. Schnellwachsende Hölzer oder gar Holzreste dagegen dienen als bevorzugtes Trägermaterial in Form von Spanplatten, MDF-Platten, Multiplexplatten oder Leichtbauplatten.
Schrankwände sind nicht alles
Die allgemeine Wahrnehmung verknüpft Furniere vor allem mit dem Möbelbau. Weniger bekannt ist dagegen deren zunehmende Verwendung und Bedeutung im Bereich der Bodenbeläge. Dort bringt man Holzdekore eher mit Massivholzböden oder mit fotorealistischen Nachahmungen bei Laminat oder Vinyl in Verbindung. Doch der Trend zu einem natürlichen Wohnumfeld bei knapper werdenden Ressourcen öffnet den Markt zunehmend für Anbieter von Holzböden mit hochwertigen Echtholz-Furnierdekoren. Eine Entwicklung, der auch die kommende DOMOTEX im Januar 2023 in Hannover mit dem Leitthema FLOORED BY NATURE Rechnung tragen wird.
Das etwas andere Furnier
Vielleicht treffen die Besucher der Weltleitmesse für Bodenbeläge dann auch auf Tim Mergelsmann, dessen Credo lautet: "Wir lassen die Bäume im Wald!" Denn seine Herangehensweise beim Thema Furnier ist eine ganze spezielle, durchaus bemerkenswerte. Der gebürtige Görlitzer hatte im Jahr 2005 die Gelegenheit, das Handwerk der Rindenverarbeitung direkt vor Ort in Sibirien zu erlernen, wo diese Kunst seit Urzeiten zuhause ist. Im Rahmen eines Projektes für Menschen mit Behinderung half er dort beim Aufbau einer traditionellen Birkenrindenwerkstatt und verliebte sich prompt in die Landschaft, die Menschen – und in das vielseitige Naturmaterial Birkenrinde. Noch während seines Studiums gründete Mergelsberg ein Unternehmen und begann mit dem Import von Gefäßen aus Birkenrinde, vor allem aber von hochwertiger Rohrinde nach Deutschland. Die Produkte, die er über seine Firma Nevi vertreibt, tragen alle den Beinamen "Betula Surfaces", nach dem lateinischen Begriff für Birke.
Über die Rindenernte
"Der Wunsch und die Nachfrage nach Materialien, die aus der Natur kommen – lebendigen, gesunden Materialien – wird immer größer", so Mergelsmann. "Genau dieses ganzheitliche Bedürfnis, die Sehnsucht nach der Natur, wollen wir befriedigen." An dieser Stelle erinnern wir uns an seine Aussage, die Bäume im Wald belassen zu wollen, denn die Rindenernte des vielfach verfügbaren Materials erfolgt möglichst waldfreundlich, sprich von Hand durch spezialisierte Familienbetriebe und ohne schweres Gerät, das den Waldboden verdichten könnte. Das eigentliche Schälen der Birken geschieht, ohne das Kambium zu zerstören, also die Schicht des Baumes, die für Dickenwachstum, Ernährung und Wundheilung zuständig ist. Auf diese Weise durchlebt die Birke ihren natürlichen Zyklus, ohne nachhaltigen Schaden zu erleiden. Selbst abgestorbene Bäume verbleiben als Totholz im Wald und bieten Organismen weiterhin wichtigen Lebensraum, dienen als Wasserspeicher und beschleunigen so die immerwährende Erneuerung des Waldes. Ein natürlicher ökologischer Kreislauf im besten Sinne des Wortes.
Es werde Furnier
Doch wie wird aus der Birkenrinde das eigentliche Furnier? Dazu werden 120 Lagen der Rinde verleimt und unter hohem Druck zu einem Block verpresst. Nach dem Aushärten wird dieser Block je nach Anwendung und Kundenwunsch individuell weiterverarbeitet, sprich in Schichten gewünschter Stärke geschnitten, wobei sich dann auch die für das Endprodukt typischen Linienstrukturen offenbaren. Für die zukünftige Verleimung kooperiert Mergelsmann derzeit mit dem Fraunhofer Institut, um einen biogenen Zweikomponentenkleber zu entwickeln, der dazu beitragen soll, dass mehr als 80 Prozent der Inhaltsstoffe von Betula-Produkten nachwachsend sind.
Vom Furnier zum Produkt
Unter dem Namen "Nevi Betula Surfaces" offeriert das Unternehmen derzeit drei Produktbereiche: Die Griffserie "Betula Handles" hat sich bereits erfolgreich am Markt etabliert. Ähnliches gilt für die Sparte des eigentlichen Furnierhandels unter der Bezeichnung "Betula Veneer". In Abhängigkeit von der Blockgröße liefert das Unternehmen derzeit Starkfurnierblätter in Stärken von eins bis drei Millimeter und Längen von 1,50 bis 2,20 Meter bei einer Breite von 25 bis 30 Zentimeter. Größere Längen sind auf Anfragen vereinzelt möglich, aber "das Material hat seine natürlichen Grenzen – sowohl in der Länge als auch in der Breite", so Mergelsmann.
Der weltweit erste Fußboden aus Birkenrinde für Nassräume
Der dritte, ganz neue Produktbereich "Betula Flooring" schließlich widmet sich der Herstellung von Bodenbelägen, und damit schließt sich auch der Kreis des kleinen Exkurses Birkenrinde. Laut Mergelsmann ist „Betula Flooring“ der weltweit erste Fußboden aus Birkenrinde für Nassräume. Das nachwachsende Material soll bei der Berührung mit Wasser zur Höchstform auflaufen, denn Birkenrinde quillt nicht und ist daher im Gegensatz zu Holz für den Direktkontakt mit Wasser hervorragend geeignet. Damit aber nicht genug, die Griffigkeit der Oberfläche sorgt selbst bei feuchten Böden für stabilen Stand. Hinzu kommt ihre antimikrobielle Beschaffenheit, die samtige, fußschmeichelnde Struktur und ein pH-Wert vergleichbar dem der menschlichen Haut. Auch beim Trägermaterial setzt Mergelsman auf größtmögliche Nachhaltigkeit. So kommen für die Dielen mit fugenloser Optik zu 100 Prozent natürliche Strohplatten aus regionaler Produktion zum Einsatz.
Auf dem Boden der Tatsachen
Neben Barfuß- und Nassbereichen wie Wohn- und Kinderzimmer, Küchen, Badezimmer, Saunen und Spas kommen aber auch öffentliche Bereiche wie Hotels und Hospitality in Betracht, denn "Betula Flooring" lädt durch seine ansprechende Optik und die warmen Waldtöne zum Verweilen ein, zudem sorgen die atmungsaktiven Eigenschaften der Strohplatte und die antimikrobiellen Qualitäten der Birkenrinde für ein angenehmes, gesundes Raumklima.
Weiterführende Links
Kontakt: Tim Mergelsberg, Geschäftsführer | Telefon: +49 3581 7925850 | E-Mail: info@nevi.io
Initiative Furnier + Natur e.V.
Clip:
https://youtu.be/aebF_ZT0HH4
Kontakt: Ursula Geismann | Telefon: +49 171 1783 444 | E-Mail: info@furnier.de
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