Gute Taten, großartiges Design
„Immer mehr Menschen wollen nachhaltig produzierte Teppiche.“ Designerin und Teppichhändlerin Stephanie Odegard spricht im Interview über fairen Handel und minimalistisches Design.
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Stephanie Odegard, bevor Sie Designerin und Teppichhändlerin wurden, haben Sie mehr als zehn Jahre lang überall auf der Welt gearbeitet, unter anderem bei der Entwicklungshilfe auf Fidschi und für die Weltbank in Nepal. Wie kam Ihnen die Idee, handgeknüpfte tibetische Teppiche in New York zu verkaufen?
Während meiner Zeit in der Entwicklungshilfe habe ich beschlossen, Handwerkskunst für den modernen Markt zu entwickeln. Ich wollte diese jahrhundertealte Kunstform schützen und gleichzeitig die marode Branche dabei unterstützen, Geld zu verdienen. Schon immer war es mein Ziel, etwas zurückzugeben. Und ich wusste, wie man aus indigenen Designs etwas machen konnte, das sich besser verkaufen ließ. Also habe ich den Einheimischen gezeigt, wie sie ihre Handwerkskunst so weiterentwickeln können, dass sie mehr als Billigware für Touristen produzieren.
In Nepal war ich in den 1980ern zum ersten Mal. Dort verkauften sie seit Jahrzehnten tibetische Teppiche, die meisten gewebt mit einer lockeren, dickflorigen Struktur. Aber dann habe ich jemanden getroffen, der mit 100 Knoten pro Quadratzoll gewebt hat – das fand ich wunderschön. Also habe ich die Teppiche auf den US-Markt gebracht. Heute sind sie das begehrteste Produkt aus Nepal.
Wie haben Sie die Teppiche dem aktuellen Geschmack angepasst?
Die meisten hatten viele Bordüren, aufdringliche Farben und eine Menge verschiedener Stammesmotive. Dafür habe ich zwar großen Respekt, aber ich habe nie versucht, Teppiche in diesem Stil zu verkaufen. Ich habe sie etwas abgespeckt, die Bordüren und Symbole entfernt und das Design so verändert, dass nur ein Motiv, das schönste, übrigblieb. So entstand ein zweifarbiges, minimalistisches Design. Und ein Trend, der noch heute aktuell ist.
Welche anderen Trends gibt es heute außerdem?
Wir gehen heute vermehrt zurück zu den Basics: Natürlich-schlichte Designs mit Fokus auf dem Material, gefärbt mit Pflanzenfarben. Auch All-over-Drucke sind beliebt. Auch die Farbe Blau, von hell bis Indigo, wird bereits seit fünf Jahren stark nachgefragt. Ein anderer Trend, der sich innerhalb der letzten Jahre entwickelt hat, sind Teppiche in Farben, die wie Feuerwerke explodieren. Einige von diesen waren bei den Anwärtern zum Carpet Design Award 2017 dabei, wo ich in der Jury sitze. Außerdem fallen mir momentan vermehrt Teppiche auf, die scheinbar abgenutzt sind und bei denen Teile des Designs fehlen.
Die Gewinner der Carpet Design Awards werden auf der DOMOTEX 2017 verkündet. Was hat Sie als Jurymitglied am meisten beeindruckt?
Originalität, ausgewogene Farbwelten und frische Ideen. Es gab ein paar sehr beeindruckende Stücke in indischem, tibetischem, türkischem und iranischem Design. Die Mischung war faszinierend. Ich bin schon gespannt auf die Gewinner und freue mich, die Menschen hinter den Teppichen kennenzulernen.
Verantwortungsbewusstsein und Fairness sind die Grundpfeiler Ihres Arbeitsethos. Wächst die Nachfrage nach fair produzierten Teppichen?
Auf jeden Fall. Als ich Anfang der 1990er Jahre an einem Treffen des Verbands der Teppichhändler teilnahm, war ich die einzige, die kritische Themen angesprochen hat. Manche waren sich gar nicht darüber bewusst, dass es bei der Teppichherstellung überhaupt problematische Praktiken gab. Seitdem haben gemeinnützige Organisationen schärfere Kontrollen der Webtechniken durchgesetzt und es auf diese Weise verantwortungsvoll arbeitenden Zulieferern und Importeuren ermöglicht, zu wachsen. Kailash Satyarthi, Mitbegründer einer solchen Organisation, hat sogar den Friedensnobelpreis erhalten. Das zeigt, wie sehr die Öffentlichkeit heute für das Thema sensibilisiert ist. Für viele Käufer hat eine faire Produktion jetzt höchste Priorität – und die Branche strebt danach, diese Erwartung auch zu erfüllen.
Der Trend geht also in die richtige Richtung. Ist es noch ein langer Weg?
Es ist eine permanente Bemühung. Wir haben große Fortschritte gemacht, aber auch noch ein gutes Stück Weg vor uns. Wir müssen weiterhin in Bildung und lokale Erzeugnisse investieren. Dadurch zeigen wir Teppichherstellern neue Wege auf und ermöglichen es ihnen, die Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern und höhere Löhne zu zahlen. Je mehr fair produzierte Teppiche wir verkaufen, desto stärker fördern wir faire Geschäftspraktiken und helfen armen Ländern wie Nepal dabei, sich selbst zu helfen.
Sie fahren immer wieder nach Nepal. Konnten Sie dort selbst beobachten, was Ihre Initiative den Menschen bringt?
Innerhalb der letzten dreißig Jahre war ich mindestens zweimal jährlich in Nepal. Fast alle meiner ehemaligen Mitarbeiter sind noch immer in der Teppichbranche. Manche von ihnen haben jetzt ihre eigenen Unternehmen – alle mit fairen Arbeitsbedingungen. Zu Beginn meiner Karriere war das Land kaum als Teppichexporteur bekannt. Heute ist es weltweit unter den Top drei der Branche. Und nicht nur in Nepal sehe ich die Ergebnisse meiner Arbeit, sondern auch in den USA und Deutschland, wo der 100-Knoten-Teppich sehr erfolgreich ist.
Wieviel verdanken Sie Nepal und seinem Volk?
Ich sehe mich vor allem auch als Künstlerin und Marketing-Expertin, nicht nur als Geschäftsfrau. Mein Talent liegt darin, Markttrends vorherzusagen. So habe ich auch das Potenzial hochqualitativer tibetischer Teppiche erkannt, welche die Basis für alle meine Designideen bilden. Meine Inspiration stammt also tatsächlich von dem, was ich in Nepal gesehen und gelernt habe. Mein Erfolg und der Erfolg Nepals sind eng miteinander verknüpft.
Wie sieht es bei Ihnen zu Hause aus? Liegen dort auch Teppiche, die Sie selbst entworfen haben?
Ja, ich habe ein paar meiner eigenen Teppiche. Aber ich mag auch antike orientalische Teppiche und Vintage Dhurries sehr, besonders die einfachen, fein gewebten mit blauweißen Streifen. In meinem Haus in Indien habe ich einen kalten Marmorboden, der sehr schallintensiv ist. Deshalb habe ich dort zwei Schichten Teppiche: Indische Dhurries und darauf meine eigenen tibetischen Teppiche. Wenn es im Sommer richtig heiß ist, entferne ich einfach die obere Schicht. Was die Möbel angeht, habe ich viele Designerstücke aus den 1930ern, 40ern, 50ern und 60ern. Aber am liebsten mag ich einen Stilmix, deshalb verbinde ich sie mit modernen Stücken von bekannten Designern, zum Beispiel von Philippe Starck.
Zu guter Letzt: Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Ich hoffe, dass ich die Inspiration für eine neue Teppichkollektion finden werde. In absehbarer Zukunft werde ich mich aber auf meine neue Möbelfirma konzentrieren. Ich möchte in Indien ein Designcenter eröffnen. Dort will ich lokale Handwerker dabei unterstützen, ihre Produkte noch besser zu machen und der Öffentlichkeit vorzustellen. Der Bedarf ist da. Mit meinem Teppichbusiness habe ich bereits alles erreicht, was ich erreichen wollte. Hier tut sich eine neue Herausforderung auf. Ich schätze die Wachstumschancen in diesem Bereich als sehr gut ein.
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