Vanessa Brady, Ihr Stil ist modern und schick. Wie gehen Sie vor, wenn Sie einen Raum oder ein Produkt elegant gestalten wollen?

Vanessa Brady: Mein Ziel ist, eine Balance der Farben und Formen zu schaffen. Ich mag eine neutrale Farbpalette, Ordnung und Struktur. Meiner Meinung nach sollten Menschen, und nicht Objekte im Mittelpunkt eines Raumes stehen.

Ist das bei Ihnen zu Hause ähnlich?

Ja, mein Haus ist sehr einfach eingerichtet. Einfarbige Wände, schwarzweiße Teppiche und Samtsofas in einem hellen Grau. Blumen und Bilder machen den Raum lebendig. Ich mag es außerdem, wenn meine Fenster nicht zugehängt sind.

Welche Rolle spielen Teppiche, wenn man in einem Raum die richtige Atmosphäre schaffen möchte?

Egal ob zu Hause oder in einem Museum: Teppiche bilden immer einen gemeinschaftlichen Bereich, einen Raum, wo Menschen zusammenkommen. Außerdem hat man sie fast immer im Blick. Das bedeutet, egal wo sie liegen, sollten sie den Raum erfrischen und ein gutes Gefühl verschaffen. Darüber hinaus absorbieren sie Lärm, was besonders in öffentlichen Gebäuden wichtig ist. Mit dem richtigen Teppich kann man sich aufgehoben, zuversichtlich und sicher fühlen.

Wie wichtig ist der Bodenbelag für Sie als Interior Designerin?

Sehr wichtig. Ich starte meinen Designprozess immer damit, die Art des Bodens auszuwählen. Denn um alles im Gleichgewicht zu halten, muss man den Rest der Arbeit am Boden ausrichten. Die Beläge unterscheiden sich in der Stärke – Massivholz ist beispielsweise viel dicker als Vinyl – deshalb ist es nur logisch, sie zuerst einzubauen.

Lassen Sie uns jetzt über die DOMOTEX sprechen. Sie waren Jurymitglied der Carpet Design Awards. Haben Sie zuvor schon einmal eine solche Rolle innegehabt?

Ich sitze jährlich in weltweit 14 Design-Award-Jurys – für Architektur, Möbel, Design und Layout. Das war jedoch das erste Mal, dass ich Teppiche bewertet habe.

Gehen Sie auch auf Messen, ohne Jurymitglied zu sein?

Das mache ich tatsächlich auch. Ich nehme das ganze Jahr über an Designmessen teil, nicht nur als Jurymitglied, sondern auch als Referentin. Die DOMOTEX ist immer die erste in meinem Kalender.

Was hat Sie bei der Auswahl für die Carpet Design Awards am meisten beeindruckt? Worauf können sich die Besucher freuen?

Es gab einiges, das ich vorher so noch nicht gesehen hatte, aber daneben auch viele traditionelle Techniken. Besucher können sich auf eine große Anzahl von Texturen und Farben freuen. Es gab viele mehrfarbige Teppiche, sowie auch eher neutrale Designs mit interessanten Drehs.

Die DOMOTEX zeigt die neuesten und beliebtesten Formen, Farben und Styles und ist somit ein Nährboden für Designinnovationen. Neue Trends entstehen regelmäßig – wie werden sie entfacht?

Es ist eine allgemeine Regel, dass ein neuer Trend als Rebellion gegen den vorherigen Trend entsteht. Menschen verlangen immer nach Veränderungen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Mode: Wenn heute kurze Röcke angesagt sind, werden das nächste große Ding lange Röcke sein. Mit Möbeln und Teppichdesign ist es das gleiche. In den letzten Jahren dominierten geometrische Formen und Ton-in-Ton-Farben. Darauf folgten unverzüglich ungleichmäßige Formen und mehrfarbige Designs, zum Beispiel mit Zeichen, die wie hingekritzelt aussahen, oder mit Tintenflecken.

Für Ihre Hotelmöbel-Kollektion haben Sie nachhaltige Materialien benutzt. Ist Verantwortungsbewusstsein ein Trend in der Designbranche?

Ja. Es gibt heute Vorgaben, Materialien auf verantwortungsvollem Wege zu beschaffen. Daneben sind sich Unternehmen aber auch ethischen Fragen und Umweltaspekten bewusst. Corporate Social Responsibility ist ein wesentliches Thema in der modernen Geschäftswelt. Das war wichtig, als wir die Möbelkollektion für Hotels designt haben – die sehr erfolgreich war.

Neben den Top-Hotels haben Sie auch für viele berühmte Persönlichkeiten designt, auch für Königshäuser. Wie ist es, für solche Leute zu arbeiten?

Ehrlich gesagt: Sie machen häufig weniger Ärger als manche Privatperson (lacht). Aber meistens herrscht Zeitdruck, weil wir die Residenzen für ihre Ankunft herrichten. Sie leben dort nicht dauerhaft. Sie empfangen und unterhalten dort Gäste, die Einrichtung ist also recht förmlich und eher traditionell, oft Rokoko. Die Häuser, in denen sie eigentlich wohnen, sind normalerweise sehr modern.

Als würde es nicht schon ausreichen, dass königliche Kunden Ihr Talent würdigen, haben Sie darüber hinaus auch zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Auf welche davon sind Sie am meisten stolz und warum?

Ich bin auf zwei davon besonders stolz: "The Woman of Achievement Award for the Built Environment" und das OBE ("Order of the British Empire", britischer Verdienstorden; Anm. d. Red.). Auf die erste aus zwei Gründen: Zum einen, weil ich als "One-Woman-Show" gegen riesige Unternehmen angetreten bin, und zum anderen, weil ich sie für Interior Design erhalten habe – obwohl Unternehmen aus dem Technik- und Gesundheitsbereich dabei waren. Den OBE habe ich für meine Verdienste für das Interior Design und die britische Wirtschaft erhalten. Das hat empfand ich als große Ehre. Die Regierung würdigte so meine Rolle darin, Industriestandards und Umsätze zu steigern und Handelsabkommen mit verschiedenen Ländern zu arrangieren. Das waren nicht nur für mich große Errungenschaften, sondern gleichzeitig auch für die gesamte Branche. Interior Design ist dadurch bekannter geworden. Immer mehr Menschen verstehen jetzt, wie wesentlich es ist, wenn man Gebäude plant. Endlich bekommt es den Respekt, den es verdient.

Sie haben die Society of British and International Design (SBID) gegründet, damit Interior Designer im Vereinigten Königreich professionell zertifiziert werden können. Was erfordert ein solches Zertifikat?

Grundvoraussetzungen sind ein Universitätsabschluss, zwei Jahre Berufserfahrung und 24 Stunden kontinuierliches professionelles Lernen. Aber Interior Design ist noch immer eine Branche, die wächst. Deshalb gibt es viele Menschen mit Arbeitserfahrung, jedoch ohne offizielle Qualifikation. Das berücksichtigen wir, indem man jedes Jahr, das einem an Universitätsbildung fehlt, mit eineinhalb Jahren Berufspraxis ausgleichen kann. Zusätzlich muss man in einem förmlichen Interview seine Referenzen nachweisen. Dank dieser Initiative sind wir jetzt mit einigen europäischen Nationen gleichauf, die die Branche anführen.

Sie haben das alles in einer Branche erreicht, die von Männern dominiert ist. Hat Sie diese Ungleichheit in Ihrer Karriere jemals besonders herausgefordert?

Ja, hat sie. Aber im Großen und Ganzen haben mir Männer immer ziemlich geholfen. Ich glaube, dass man Frauen, die in Machtpositionen kommen wollen, schwieriger ausweichen kann, denn sie sind eher imstande, Konflikte zu spüren – und zu schaffen. Das bedeutet auch, dass sie selbst ihr schlimmster Feind sein können. Wann immer mir Männer im Weg standen, habe ich einen anderen Weg gefunden – um sie herum. Aber trotz allem: Auf dem höchsten Niveau sind Frauen absolut hingebungsvoll und professionell, und für Männer ist das Geschlecht kein Thema.

Haben Sie einen Ratschlag für diejenigen, die an die Spitze ihres Berufsfelds wollen, besonders für junge Frauen?

Wachst über Gemeinheiten hinaus. Man kann nicht kreativ sein, wenn man seine Zeit damit verschwendet, negativ zu sein. Ich glaube auch, dass einem schlechtes Benehmen heimgezahlt wird – und dass man belohnt wird, wenn man das Richtige tut. Das muss nicht unmittelbar passieren. Wenn etwas nicht gut läuft, ist es das Beste, es nicht zu stark zu wollen. Stattdessen sollte man einen Schritt zurückmachen, analysieren, ab welcher Stelle es schlecht lief, und es schließlich von einem neuen Blickpunkt aus angehen.