Als Designer sind Sie vor allem für Möbel und Haushaltsgegenstände bekannt. Für eine Reihe von Unternehmen haben Sie auch Produkte zur Bodengestaltung entworfen, vom Teppich bis hin zum Laminat. Was war dabei besonders wichtig?

Das Thema Boden ist etwas Interessantes, denn er hat bei uns allen mit sehr frühen und prägenden Erfahrungen zu tun. Wenn du als Kind gerade gelernt hast, aufrecht zu gehen und dabei den Blick nach vorn zu richten, spürst du die verschiedenen Oberflächen, über die du läufst, sobald du die ersten Schritte machst. Du bist extrem sensibel in den Füßen, und du läufst über einen Teppich, ein Parkett, über Sand oder Kies. Kinder reagieren da extrem. Die Sensibilität, die wir zunächst in den Füßen haben, verliert sich mit der Zeit. Das ist gewissermaßen die sensorische Seite.

Fließen solche Überlegungen bei Ihnen in neue Produkte ein?

Schon, man muss sich zunächst mit dem Kontext beschäftigen. Zu den sensorischen kommen visuelle Eindrücke hinzu. Etwa, wenn ich Bilder eines Hauses des Künstlers Donald Judd in der Schweiz betrachte, das er in Eichholtern umbauen ließ: Er hat Decke und Boden mit Fichtenholzparkett versehen, den Boden hat er an die Decke gespiegelt. Das ergibt ein besonderes Bild. Oder "Sky Pesher" des Lichtkünstlers James Turrell, ein kubischer Raum mit offenem Dach, von dem aus man in den Himmel blickt. Da erhält die Decke im Verhältnis zum Boden eine extreme Bedeutung. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Nimmt man einen Karton oder Kubus, dann ist der Boden die untere Fläche. Es ist die oberste Schicht, kann aber zugleich der untere Teil von etwas sein. Der Künstler Anish Kapoor hat mit seinen Installationen dafür Bilder geschaffen. Etwa ein Sogloch, das wie eine Trompetenschnauze oder ein Trichter in den Boden hineingeht und unendlich in die Tiefe zu reichen scheint. Dies sind Momente, wo ich mich mit dem Boden beschäftige. Ich frage mich: Was löst das aus bei mir, was sind das für Gefühle?

Wenn der Boden sich auflöst?

Ja, im künstlerischen Sinn oder auch ganz unmittelbar. Was passiert, wenn du auf einem Gitter stehst oder auf einem Glasboden auf einer gewissen Höhe, wenn dir der Boden weggenommen wird? Dann wird dir bewusst: Diese neue durchlässige Ebene bildet nun den Boden. Wenn ich jetzt aber konkret einen Teppich oder ein Parkett mache, dann interessiert mich die Gestaltung einer Fläche, die prägend wirkt. Wenn man einen Laminatboden entwirft, wie ich es kürzlich getan habe, dann soll das ja Bestand haben. Deshalb ist mir wichtig, dass ein solcher Entwurf visuell nicht zu laut ist. Das kann es einem schnell verleiden.

Was heißt das?

Als Gestalter läuft man Gefahr, lediglich eine neue Grafik für den Boden zu entwerfen. Erst wenn man die Resultate dieser Grafiken tatsächlich am Boden liegen sieht, bemerkt man, dass etwas dabei schiefgeht. Denn es geht darum, ein Gefühl auszulösen, keinen visuellen Dauerstress. Wenn ich Böden oder Teppiche entwerfe, sollen sie nicht auffällig sein und schreien, sie sollen einfach da sein.

Woran merken Sie, ob ein solcher Entwurf funktioniert?

Wenn ich näher hinschaue, merke ich: Oh ja, es hat eine Struktur, da ist Leben drin! Sobald ich näher herangehe, dann möchte ich etwas sehen, aber von weitem sollte es beruhigend wirken. Das ist wie bei einer Wiese, die von fern einfach knallgrün erscheint. Aber sobald man näher herankommt, sieht man, sie hat unterschiedliche Grüntöne, verschiedene Rasenhöhen und so weiter. Mich interessiert das Ordnen von Chaos. Wie schaffe ich Strukturen, wie erzeuge ich Tiefen, die vielleicht erst auf den zweiten Blick auffallen? Bei meiner Arbeit für das dänische Textilunternehmen Kvadrat etwa gibt es kein auffälliges Blumenmuster. Man muss mehrfach hinschauen, bevor man das Muster erkennt.

Gibt es Unterschiede, was die Materialität und die Zwecke betrifft?

Ich habe auf verschiedenen Feldern gearbeitet, vom handgetufteten abgepassten Teppich bis hin zum durchgehenden Boden fürs Office, der industriell hergestellt wird. Auch dort war es wichtig, sich klar zu machen: Was passiert, wenn du einen langen Gang hast? Wie wirkt der Teppich dort? Aber auch: Wie sieht der Teppich um deinen Arbeitsplatz aus, diese kleine Quadratmeterfläche neben deinem Stuhl? Die Blickwinkel immer wieder zu verändern, so wie wir es im Alltag ständig tun, das scheint mir fürs Entwerfen sehr wichtig. Es ist der gleiche Teppich aus der Ferne wie aus der Nähe. Er verändert sich lediglich durch die andere Fokussierung.

Viele Produkte, mit denen sich schnell und unkompliziert große Flächen gestalten lassen, leben von der perfekten Imitation anderer Materialien und Oberflächen. Welchen Spielraum eröffnet das für Gestalter?

Ich möchte nichts imitieren. Als ich vor kurzem eine neue Bodenkollektion entwarf, hatte ich mit dem Laminat anfangs einige Mühe. Es ist ein hochwertiges Produkt, das Verhältnis zwischen Preis und Leistung stimmt. Die Imitation ist enorm weit fortgeschritten, so weit, dass es bei manchen Produkten selbst uns Designern kaum noch möglich ist, den Unterschied zwischen echtem Parkett und Laminat wahrzunehmen. Genau in diesem Zusammenhang entstand mein Entwurf.

Was machen Sie statt einer Nachahmung?

In letzter Zeit interessiert mich Marmor, insbesondere Marmorplatten. Würde man ein solches Material imitieren, wäre das noch extremer als beim Parkett, da es ein ausgesprochen teures Material ist. Mein Entwurf beruht beispielsweise auf Aquarellen und Farbverläufen mit Zufallsstrukturen. Von weitem wirkt es, als sei es Marmor. Aus der Nähe erkennt man: Es ist eine grafische Arbeit, und es ist Laminat.

Ist das eine neue Möglichkeit, um Authentisches zu schaffen? Und wie gehen Sie mit dem Thema in unterschiedlichen Bereichen um, etwa bei der Objektausstattung?

Das wird überall zum Thema. Auch wenn wir uns die Autoindustrie ansehen, merkt man heute nicht mehr, was Plastik ist und was Holz. Die Oberflächen sind hochwertig, aber sie täuschen etwas anderes vor. Ich stehe lieber auf Wolle, lieber auf unbehandeltem Parkettboden, das ist eher meine Geschichte. Aber ich begreife auch das Andere, die Ansprüche, die ein Kunde oder eine Firma hat. Als ich das Interieur für das 25hours-Hotel in Zürich gestaltete, war das ein Thema. Die Hälfte der Zimmer haben Teppiche, die anderen Parkett mit Auflageteppich. Die Teppiche, auch für den Flur, haben wir extra für sie entworfen und mit Tai Ping produziert. Der Aufwand für die Teppiche aus Wolle und Seide war so hoch, dass man das am liebsten nie mehr verändern möchte. Dennoch muss in einem Hotel ein Teppich spätestens nach fünf oder zehn Jahren erneuert werden. Es ist eine Gratwanderung. Denn nimmt man die Ansprüche, die vom Markt an uns herangetragen werden, zu ernst, wäre es kaum möglich, noch etwas Neues zu entwickeln. Man muss sich den Widersprüchlichkeiten dieser Themen stellen. Nur so kann man zu etwas Neuem vordringen.

Ihre Entwürfe – ob Produkt oder Projekt – beruhen auf intensiver Recherche. Haben Sie dabei Konventionen zum Thema Boden entdeckt? Können wir diese überwinden oder bestenfalls spielerisch mit ihnen umgehen?

Konventionen gibt es überall. Mich interessiert, innerhalb der Konventionen etwas Neues zu machen. Ich möchte sie mit veränderten Dimensionen, Strukturen, neuen Blickwinkeln ein wenig verändern. Aber ich bin Industriedesigner, kein Künstler. In den 1980er Jahren gab es die Künstlerteppiche, eine typische Zeiterscheinung. Zuerst möchte ich gar nicht wissen, was eine Firma erwartet. Die Aufgabe, die ich mir selber stelle, ist schon Hürde genug. Für den ersten Schritt brauche ich kein genaues Briefing. Später ist es wichtig, die Maschinen zu kennen, die das herstellen. Aber zunächst einmal brauche ich eine Carte blanche, eine freie Fläche. Im Nachhinein interessieren mich die Statistiken, die Verkaufszahlen im Vergleich zu denen anderer Produkte.

Wir halten den Boden für etwas Statisches. In Zeiten der Digitalisierung könnte sich das ändern? Oder nicht?

Es gibt Entwicklungen, die Flächen mit einer Funktion zu versehen. In großen Büros könnten als Teil des Bodens beispielsweise Hinweise angebracht werden, indem man etwa Licht integriert, vergleichbar den Orientierungsstreifen zum Notausgang im Flugzeug. Auch könnte ich mir vorstellen, dass der Boden etwas Gutes tut und unerwünschte Stoffe aus der Umwelt absorbieren könnte. Eventuell könnte er durch die Schritte vieler Leute energetisch genutzt werden? Vielleicht ließe sich die Beleuchtung im Gang alleine davon betreiben? Doch das sind Fantasien.

Sie sind von der DOMOTEX als Special Guest eingeladen worden. Wenn Sie einen Wunsch an die Hersteller hätten, wie sähe dieser aus?

Ich glaube an die längerfristige vertiefte Zusammenarbeit mit Herstellern, es gibt viele gute Beispiele dafür. Wir brauchen die Industrie und die Industrie braucht uns Designer. Nur wenn beide es möchten, schaffen wir gemeinsam ein Produkt. Ich würde mir wünschen, dass es Firmen gibt die bereit sind, mehr zu recherchieren und zu forschen. Aber nicht im Sinne einer Erfindung. Es geht um die Erkenntnis, dass der Designprozess Zeit braucht – und das kostet Geld, Investitionen. Dass man versucht, Abstand zu nehmen. Dass man nicht ständig nach links und rechts schaut, was die anderen machen, was der Trend ist, sondern, dass man nach dem Einzigartigen sucht. Daher muss man nicht etwa noch mehr Technik im Boden unterbringen sondern beispielsweise fragen: Was passiert, wenn wir wieder ganz in Richtung des Einfachen gehen? Oft gibt es das Bedürfnis des "Viel weniger". Und das gut zu machen, ist schwierig, aber lohnend. Ich denke, es ist wichtig, ein Bewusstsein zu schaffen für die Liebe zur Erde und zur obersten Schicht der Erde, die steinig aber auch fruchtbar sein kann, die Grundlage ist für unsere Pflanzen und für alles Lebendige.